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2004/05 DIRK SCHEIDTIconIconIconIconIcon


Rosseau

8 Farbfotografien, je 198 cm x 94 cm, Papiergrösse je 222 cm x 120 cm

2003, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig / Professor Timm Rautert

 

Die Arbeit "Rousseau" setzt sich aus großformatigen Einzelbildern zusammen, die insofern als Serie verstanden werden kann, als dass sich aus der Aneinanderreihung der Fotografien ein Panorama ergeben kann, da sich in der Bildkonstruktion jeweils der linke und rechte Rand überschneiden.

Die Bilder sind aus insgesamt 38 Grünpflanzen aufgebaut, die zwar in unseren Breitengraden zu erwerben sind und aus den heimischen Wohnstuben hinlänglich bekannt sein dürften, deren ursprünglicher Herkunftsort aber, wenn nicht der tropische Regenwald, so doch zumindest der Mittelmeerraum ist.

Sie sind Kulturpflanzen par excellence, denn nur unter den Bedingungen, die das menschliche Leben sich hier geschaffen hat, können sie überleben. In der Fremde des geschaffenen Lebensraumes bleiben sie grün, aber auch nicht mehr, denn die Umgebung reicht meist nur zum Überleben, aber nicht zur Blüte. Der künstliche Umraum lässt sie selbst zu einer Künstlichkeit werden.

Die Pflanzen erscheinen in der Serie mehrmals. In der Betrachtung des Einzelbildes gehen aber notwendigerweise die Verknüpfungen zu den anderen des Panoramas verloren. Die Ränder sind ohne den Vergleich keine fortführenden Doppelungen mehr, sondern die Begrenzung des je einen Bildes. Wie auf der einen Seite die Grenze als dasjenige verstanden wird, was schon an das Nächste heranreicht, schließt sich in der Einzelheit des Bildes diese Grenze und wird zu einer notwendigen Rückwendung.

Im Bezug auf den Titel verweist die Arbeit auf den Maler Henri Rousseau (1844 -1907) und explizit wie auch offensichtlich auf die Gruppe der Dschungelbilder. Die Analogie meiner Arbeit zu den Bildern des Malers besteht in der paradoxen Praxis, aus dem Hoch Kultivierten das Natürliche, wenn nicht erstehen, so doch wenigstens erscheinen zu lassen

Thema der Serie ist auch das Paradoxon selbst. Der Mythos, der vermutlich von Apollinaire in die Welt gesetzt wurde, dass Rousseau in seinen Dschungelbildern die Erlebnisse einer Mexikoreise verarbeitet habe, gilt vom heutigen Standpunkt als widerlegt. Henri Rousseau hat Europa niemals verlassen. Die Konstruktion seiner Dschungelbilder resultiert aus dem Studium ihm zugänglicher Quellen. Diese waren zum einen schon in Bildform ihm zur Hand und zum anderen durch die Entwicklungen, die technischen Fortschritte der Zeit ihm zugänglich. Damit sind im speziellen die Pariser Parkanlagen und botanischen Gärten gemeint.

Die Faszination des Exotischen und der Glaube an die Möglichkeit der Technik, hier die Stahlbaukunst, treten am Anfang des 19. Jahrhunderts in Form des ersten großen Gewächshauses in Paris zusammen. Damit beginnt die Simulation von fremder Natur im Unterschied zu der schlichten Aufgabe, den Exoten überhaupt das Überleben zu sichern. Man weiß, dass Rousseau oftmals diese Orte aufsuchte.

Die Jagd nach dem Natürlichen, dem Ursprünglichen, die Rousseau das Attribut des Naiven eingetragen hat – man fragt sich, ob nicht eher der Betrachter naiv ist – und heute trotzdem noch beschäftigt, muss zurückgestellt werden, bis die Frage nach welchem Natürlichen gesucht wird, nicht nur beantwortet, sondern auch verstanden wurde. Ohne dieses erscheint das Paradoxon als ein Denkfehler und nicht als eine Notwendigkeit des Denkens.

Die Arbeit »Rousseau« maßt sich nicht an, ein Urteil über den Maler selbst und über seine Bilder zu geben, sondern sie zitiert jene. In diesem Sinne stehen Bewahren und Bewundern auf der einen Seite und eine Überschreitung in eine andere Richtung, nämlich meine Richtung, zusammen.